Nach der Veröffentlichung der Auswertung der VCD-Umfrage zur Bürgermeinung kann man erstaunliche Vorgänge beobachten:
Während eine Vielzahl von Kommunalpolitikern – auf beiden Seiten der fachlichen Diskussion – die Umfrage begrüßte, da damit erstmals ein quantifiziertes Stimmungsbild möglich war, stechen auch die immer gleichen Gegner laut polternd dagegen los.
Aus den ersten 100 Reaktionen, die aus der Bürgerschaft auf die Ergebnisse der VCD Umfrage online geschrieben wurden, kamen beinahe 30 Stück von nur einer Person. Frank Widmaier aus Gochsheim, Gemeinderat für die CSU.
Beinahe unter jeden Thread zu der Umfrage postete er einen Link zu seinem Blog, in dem er schreibt, dass er die Umfrage glaubt manipuliert zu haben.
Und er legt langatmig dar, warum er nicht glaubt, dass die Umfrage irgendeinen Wert haben würde.
Technisch klar. Man hätte Cookies löschen und neu abstimmen können. Aber nur weil das System erneut die Meldung zurück gibt, dass es die Umfrage entgegen genommen hat, heißt es nicht, dass sich diese Mehrfachabstimmungen nicht hätten ausfiltern lassen.
Er legt sich dabei vor allem auf die IP-Adresse fest – und ja, im legacy IP-Space (ipv4) können durch NATing etliche Benutzer legitim hinter einer IP-Adresse liegen. Die großen ISPs haben aber inzwischen flächendeckend ipv6 ausgerollt, also läuft die Argumentation für alle ins Leere, die ihr Equipment halbwegs technisch aktuell halten. Jeder ITler und Webentwickler weiß aber auch, dass Cookies und IP-Adressen nicht die einzigen Merkmale sind, die sich erheben lassen. Browsersignatur und -version, Bildschirmauflösung, Betriebssysteme, Gerätenamen – eine Vielzahl an technischen Daten steht zur Verfügung, um Mehrfach-Klicker zu identifizieren und auszufiltern. Die IP im Sinne einer ipv4-Adresse ist vielleicht ein letztes Merkmal, aber bei weitem nicht das Einzige.
Deswegen konnten laut VCD – wie in seiner Pressekonferenz ausgeführt – auch 109 Stimmen aussortiert werden. Man stelle sich den armen Kerl vor, der 109 Umfragen ausgefüllt hat und die alle ausgefiltert wurden. Mitleid. Nicht.
Wäre Widmaier jener IT-Gott, der er zu sein in seinem Blogpost vorgibt, würde er nicht vage bei IP-Adressen bleiben (und damit lediglich alte ipv4-Bereiche meinen), sondern zeigen, wie er die restlichen technischen Merkmale auch noch alle manipuliert hätte; wie er das statistische Mittel für seine Alters-Angaben und Wohnortbezüge angegeben hat etc. Tut er aber nicht, weil er dann durch die ausgefilterten Daten vorgeführt werden könnte. Das wäre ja konkret und nachprüfbar.
Und das hat einen ganz einfachen politischen Grund: Er will „FUD“ (Fear, Uncertainty, Doubts) – übersetzt Angst, Unsicherheit und Zweifel. Und je vager er mit seiner gespielten Expertenstimme irgendwelche Pseudo-Fachbegriffe in seinem Blog und auf Facebook anbietet, desto eher erreicht er den Eindruck, dass da was nicht stimmen könnte. Ganz ungeachtet dessen, dass die Bevölkerung statistisch nach Alter, Wohnort etc. gut getroffen wurde und daher eine gewisse Repräsentanz der Umfrage unterstellt werden kann, denn das ist ja wohl die Qualifizierung des Ergebnisses der VCD-Umfrage.
Dieses vage Anzweifeln um es in Misskredit zu bringen, das ist das genaue Gegenteil einer fachlichen Diskussion um ein verkehrspolitisches Thema. Das ist eine äußerst verdammenswerte Spinning-Strategie im politischen Diskurs. Es geht ja schon lange nicht mehr um vollständige Fakten und deren Abwägung in dem, was auf diesem Blog und den tausenden Facebook-Kommentaren von ihm geschrieben wird, jetzt soll es nicht mal mehr darum gehen, welche politischen Meinungen vorherrschen – denn alles, worum es ihm jetzt nur noch geht, ist die Leute mit Zweifeln, Angst und Unsicherheit aufzuladen.
Ganz ohne regionale direkte Exposure zu dem ganzen negativen Spin aus dem Gochsheimer Hause findet der Südteil ja erheblich mehr Gefallen an der Bahnreaktivierung, wie die Umfrage eindrucksvoll zeigt. Die Lokalpolitik um Schweinfurt muss also aufpassen, denn die Umfrage zeigt, welchen Impact unsaubere Strategien Einzelner im politischen Diskurs haben können.
Es ist nicht auszumalen, wenn in Zukunft jedes politische Thema vom Kanalbau über Schulsanierungen und Anschaffungen für die Feuerwehren von rein destruktiv ausgerichteten politischen Kräften aufgehalten, verzögert oder verhindert wird, obwohl sie fachlich begründet und sogar politisch mehrheitsfähig sind.
Uns bleibt da – ganz parteipolitisch neutral – nur eine Warnung: Es ist ein ganz gefährliches heißes Eisen, wenn diese Art der politischen Kommunikation in der Region Fuß fasst und sich etabliert. Zum Glück ist er damit aktuell noch relativ alleine, alle Posts, die auf seinen Blogpost verweisen, stammen von ihm selbst und sind quasi inhaltlich identisch. Noch ist es nachvollziehbar und erkennbar. Angst muss man davor haben, wenn es einmal Erfolg hatte und das Learning lautet: „Damit komme ich wohl durch!“